Vorsicht bei Urlaubsansprüchen von Langzeiterkrankten

25. Apr 2022

Vorsicht bei Urlaubsansprüchen von Langzeiterkrankten

Ein aktuelles Urteil des Bundearbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 07. September 2021 – 9 AZR 3/21 (A)) gibt Arbeitgebern wichtige Hinweise beim Verfall von Urlaubsansprüchen Langzeiterkrankter.
Der Arbeitnehmer (Kläger) hatte gemäß Arbeitsvertrag Anspruch auf 30 Tage Erholungsurlaub im Kalenderjahr. Für das Jahr 2015 wurden ihm bereits 21 Tage Urlaub gewährt. Sodann war er seit November 2015 arbeitsunfähig krank. Die Arbeitgeberin (Beklagte) forderte ihn nicht dazu auf, seinen Urlaub zu nehmen und wies auch nicht darauf hin, dass dieser andernfalls verfalle. Für die Jahre 2016 und 2017 wurde dem Arbeitnehmer aufgrund seiner Langzeiterkrankung kein Urlaub mehr gewährt. Das Arbeitsverhältnis wurde zum Dezember 2019 beendet. Der Arbeitnehmer verlangte von seiner Arbeitgeberin die Abgeltung des Urlaubs aus den Jahren 2015 bis 2017.

Gemäß § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) erlischt in richtlinienkonformer Auslegung der Urlaubsanspruch Langzeiterkrankter 15 Monate nach Ende des Urlaubjahres. Dies allerdings nur, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer (erforderlichenfalls förmlich) dazu auffordert, seinen Urlaub zu nehmen und ihm klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub verfällt, wenn er ihn nicht beantragt (= Aufforderungs- und Hinweisobliegenheit).

Bezüglich der Urlaubsabgeltungsansprüche aus den Jahren 2016 und 2017 wies das BAG die Klage ab, obwohl der Arbeitgeber seiner Aufforderungs- und Hinweisobliegenheit nicht nachgekommen ist. Zwar bestehen diese Obliegenheiten auch gegenüber kranken Arbeitnehmern, allerdings war es dem Arbeitnehmer objektiv unmöglich, den Urlaub anzutreten, weil er durchgängig bis Dezember 2019 krank war. Hier ist also alleine die Langzeiterkrankung des Arbeitnehmers kausal für die fehlende Möglichkeit, den Urlaub zu realisieren. Auch wenn der Arbeitgeber seine Aufforderungs- und Hinweisobliegenheit erfüllt hätte, wäre der Arbeitnehmer aufgrund seiner Langzeiterkrankung nicht in die Lage versetzt worden, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Anders ist dies bezüglich der Urlaubsabgeltungsansprüche aus dem Jahre 2015 zu bewerten. Hier hätte der Arbeitnehmer seinen Urlaub vor Krankheitsbeginn noch nehmen können. Wäre er aufgefordert worden, wäre der Arbeitnehmer in der Lage gewesen, seinen Urlaub nehmen zu können.
Die Frage, ob der Urlaubsanspruch Langzeiterkrankter auch dann 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres erlischt, wenn der Arbeitgeber im Urlaubsjahr seine Aufforderungs- und Hinweisobliegenheit nicht erfüllt hat, obwohl der Arbeitnehmer den Urlaub noch (teilweise) hätte nehmen können, hängt von der Auslegung des Unionsrechts ab. Das BAG hat das Verfahren daher ausgesetzt, um eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs abzuwarten.


Praxishinweise für Arbeitgeber:

  1. Die oben genannten Grundsätze gelten nur für den gesetzlichen Mindesturlaub. Der Verfall übergesetzlicher Urlaubsansprüche kann frei geregelt werden.
  2. Ob es dem Arbeitnehmer möglich gewesen wäre, seinen Urlaub in Anspruch zu nehmen oder nicht, lässt sich erst am Ende des Jahres beurteilen, wenn es für die notwendige Aufforderungs- und Hinweisobliegenheit bereits zu spät ist. Die Aufforderungs- und Hinweisobliegenheit ist daher ernst zu nehmen.

Gerne sind wir dabei behilflich.

RAin Maria Gayer


Stand: 25.04.2022
Hinweis: Bei der Veröffentlichung handelt es sich um eine zusammenfassende Darstellung, die nur erste Hinweise enthält und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Die Veröffentlichung kann eine rechtliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen. Eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit kann nicht übernommen werden.


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