Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

19. Sep 2024

Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Ein Arbeitnehmer muss seine Arbeitsunfähigkeit gegenüber seinem Arbeitgeber nachweisen. Meist geschieht dies durch die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Sie hat einen hohen Beweiswert. Der Beweiswert kann jedoch erschüttert sein, wenn vom Arbeitgeber vorgetragene Tatsachen zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung führen.
Dazu hatte das LAG Berlin-Brandenburg folgenden Sachverhalt zu entscheiden:
Die Beklagte war Arbeitgeberin des Klägers, einem Produktionsleiter. Am 26. Oktober 2022 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mündlich und sodann am 28. Oktober 2022 schriftlich zum 30. November 2022. Der Arbeitnehmer legte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 27. Oktober 2022 bis zum 09. November 2022 und sodann eine Folgebescheinigung bis zum 30. November 2022 vor, woraufhin die Arbeitgeberin Entgeltfortzahlung leistete. Während dieser Zeit war der Arbeitnehmer im Rahmen von Handballspielen einmal als Spieler und einmal als Schiedsrichter tätig.
Im Rahmen einer Widerklage begehrte die Arbeitgeberin die Rückzahlung der Entgeltfortzahlung.
Mit Urteil vom 05. Juli 2024 – 12 Sa 1266/23 entschied das LAG Berlin-Brandenburg zugunsten der Arbeitgeberin, da der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert war:
Im vorliegenden Fall deckte die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung passgenau die Dauer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ab. Darüber hinaus wurden Vorgaben der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie missachtet, wonach die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit für nicht mehr als zwei Wochen im Voraus bescheinigt werden soll. Des Weiteren wurde während der Arbeitsunfähigkeit Sport betrieben, der eine robuste körperliche Verfassung voraussetzt.
Daher hätte es dem Arbeitnehmer oblegen, vorzutragen, welche tatsächlichen physischen oder psychischen Hintergründe vorlagen. Er äußerte sich jedoch nicht zu den Umständen seiner Erkrankung und der daraus resultierenden Arbeitsunfähigkeit. Damit galt das Vorbringen der Arbeitgeberin, der Arbeitnehmer sei nicht arbeitsunfähig krank gewesen, als zugestanden. Folglich besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung und damit ein Anspruch der Arbeitgeberin auf Rückzahlung.


Fazit: Sobald der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch den Arbeitgeber erschüttert ist, obliegt es wieder dem Arbeitnehmer, den vollen Beweis für die behauptete Arbeitsunfähigkeit zu erbringen. Für den Arbeitgeber bedeutet dies, kritischer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu prüfen und sich eine Entgeltfortzahlung ersparen.


RAin Maria Gayer




Stand: 19.09.2024
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